Japan in der Edo-Zeit. Die Handelsstraße Tokaido verbindet über 400 Kilometer die Kaiserstadt Kyoto mit der Hauptstadt Edo. Händler, Künstler, Handwerker, Boten – sie alle haben in „Tokaido“ ein Ziel: die schönste Reise durch das Land zu erleben.
In der Reihe „Asobimashou“ stellen wir euch Spiele vor, die aus Japan stammen oder sich thematisch mit Japan beschäftigen. Vom traditionellen Karten- bis zum modernen Gesellschaftsspiel gibt es für Japan-Fans viel zu entdecken.
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„Tokaido“ führt euch auf eine weite Reise
Veröffentlicht wurde „Tokaido“ erstmals 2012 und erfreut sich seitdem anhaltender Beliebtheit. Erfunden wurde es vom französischen Spiele-Autor Antoine Bauza, mit Illustrationen von Naïade. Seit Herbst 2022 ist im Pegasus-Verlag nun erstmals auch eine deutsche Version des Spiels erschienen.
„Tokaido“ ist ein unkompliziertes Set-Sammel-Spiel und für Erwachsene ebenso geeignet, wie für Familien mit Kindern. Im Spiel übernehmen 2-5 Spielende die Rollen von Reisenden auf der Tokaido-Route und sammeln über den Spielverlauf „Reisepunkte“ – wer am Ende der Reise die meisten Punkte vorzuweisen hat, gewinnt.
Die Möglichkeiten, Punkte zu gewinnen, sind dabei vielfältig. Aussichtsorte zu besuchen und dabei Teile von Panorama-Bildern zu sammeln, bringt ebenso Punkte, wie ein Besuch in der heißen Quelle. In Geschäften können Souvenir-Sets gekauft werden, im Gasthaus warten leckere Speisen.
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Der Letzte wird der Erste sein
Oder doch lieber am Tempel investieren und durch Spenden Punkte verdienen? Immerhin bekommt der großzügigste Spender am Spielende wertvolle Bonuspunkte. Die Optionen sind vielfältig – und wer gierig versucht, alle Punkte-Quellen gleichzeitig anzuzapfen, wird seine Fehler bald erkennen.
Denn „Tokaido“ ist zwar ein relativ konfliktarmes Spiel – Möglichkeiten andere Reisende direkt zu behindern, gibt es keine – aber einen Strich durch die Rechnung machen kann man seinen Reisegefährten trotzdem. Dafür sorgt das ungewöhnliche Zugsystem.
In „Tokaido“ ist nämlich immer die Person am Zug, die auf dem Weg am weitesten zurückliegt. Bewegen darf man sich so viele Felder, wie man möchte – bis zu den regelmäßig auftauchenden Gasthäusern. In denen muss gewartet werden, bis auch alle anderen den aktuellen Reise-Abschnitt beendet haben.
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Dazu kommt, dass viele Felder nur von einer Person betreten werden können. Wer auf der Suche nach einem wichtigen Souvenir ist oder dringend Geld mit der Arbeit auf dem Bauernhof verdienen möchte, muss darum abwägen: Felder überspringen und schnell auf den gewünschten Orten landen, oder versuchen auf dem Weg noch kleinere Punkte einzusammeln. Das Risiko: der begehrte Ort könnte dann von einem anderen Spielenden besetzt werden.
Viele Wege führen zum Ziel
Im Laufe einer Partie entwickelt so jeder Reisende eine eigene Strategie und blickt am Ende auf eine individuelle Sammlung von Bildern, Begegnungen und Souvenirs, die den Reiseweg widerspiegeln. Dank der hübschen Illustrationen ist diese Rückschau auf die vergangene Partie auch nach mehrmaligem Spielen eine Freude und lässt auch Niederlagen verschmerzen.
Eine klare Sieg-Strategie gibt es in „Tokaido“ nicht, und das ist eine Stärke des Spiels. Welche Taktiken zum Sieg führen, hängt immer davon ab, auf welche Punkte-Quellen es die anderen Spielenden abgesehen haben. Eine Reihe von Bonus-Punkten zum Spielende – etwa für den fleißigsten Onsen-Besucher oder denjenigen, der am meisten Geld für Essen ausgegeben hat, können auch zum Spielende noch für Last-Minute-Überraschungen sorgen.
Für Wiederspielwert und zusätzliche Optionen sorgen zudem die Charaktere. Zehn verschiedene Reisende stehen zur Auswahl, vom herrenlosen Ronin, über das kleine Waisenmädchen und den verarmten Künstler, bis zu Geisha und Händler. Jeder der Charaktere startet mit unterschiedlich vielen Münzen auf die Reise und besitzt eine Spezialfähigkeit, die an bestimmten Orten genutzt werden kann.
Bilder statt Texte für eine saubere Ästhetik
Die Tänzerin etwa erhält beim Besuch von Begegnungs-Feldern Geld und Punkte, während der Künstler während jedes Aufenthalts im Gasthaus ein Panorama-Teil seiner Wahl zu seiner Sammlung hinzufügen darf. Der Ronin wiederum sorgt mit bedrohlichem Auftreten dafür, dass die Speisen im Gasthaus weniger kosten – und teils gratis sind.
„Tokaido“ kommt dabei auf Spielplan und Karten ohne Erklär-Texte aus. Alle Handlungsoptionen und Aktionen sind in Piktogrammen dargestellt, die sich auch neuen Spielenden schnell erschließen. Der Verzicht auf viel Text trägt zum eleganten Design des Spiels bei, das sich dadurch deutlich von vielen anderen Spielen ähnlicher Größenordnung abhebt.
Wer das Gefühl hat, sich am Grund-Spiel von „Tokaido“ satt gespielt zu haben, aber das Spielprinzip mag, für den gibt es zudem gute Nachrichten: zwei Erweiterungen sorgen für noch mehr Abwechslung und Langzeitspaß mit der spielerischen Japan-Reise. Allerdings sind beide Erweiterungen aktuell noch nicht in deutschen Versionen verfügbar.
Erweiterungen: Crossroads und Matsuri
„Tokaido – Crossroads“ erweitert jeden Ort auf dem Spielplan um eine neue Handlungsoption. Geschäfte haben nun seltene Gegenstände im Angebot, an Aussichtspunkten können blühende Kirschbäume bewundert werden und im Hinterzimmer des Bauernhofs wird um Geld gewürfelt.
Da bei „Crossroads“ erstmals auch Text-Karten zum Einsatz kommen, bleibt zu hoffen, dass eine deutsche Version in Planung ist. Mit Glücksbringern vom Tempel erhalten die Reisenden nämlich einmalig einsetzbare Aktionskarten, die mit den üblichen Regeln brechen. Dann dürfen plötzlich zwei Personen auf dem gleichen Feld stehen oder im Laden ausgegebenes Geld geht direkt als Spende in den Tempel.
Außerdem gibt es Kalligraphien zu erstehen, die am Spielende Punkte bringen, etwa für übrig gebliebenes Geld oder ausgelassene Speisen im Gasthaus. Neben den spielerischen Erweiterungen bringt „Crossroads“ auch neue Charaktere auf die Reise. Zu den sechs Reisenden aus „Crossroads“ gehören zum Beispiel der glücksspielende Yakuza Jirocho und die begegnungsfreudige Oma Kita.
Die zweite Erweiterung „Tokaido – Matsuri“ baut auf „Crossroads“ auf und bringt japanische Feste ins Spiel. Während jedes Reiseabschnitts findet nun ein anderes traditionelles Fest statt – mit Auswirkungen auf den Spielverlauf.
Zur Feier des Handels-Gottes Ebisu schließen alle Geschäfte auf dem Tokaido vorübergehend ihre Türen, während des Puppen-Festes „Hina Matsuri“ erhalten weibliche Charaktere einen besonderen Gegenstand und zum O-Bon-Fest darf außer der Reihe an den Tempel gespendet werden. Insgesamt zwanzig Feste gibt es, die von den Reisenden noch mehr Flexibilität in ihren Plänen erfordern.
Außerdem wartet „Matsuri“ mit ganzen 16 neuen Charakteren auf und bringt die Gesamtzahl der Reisenden damit auf satte 32. Selbst eingefleischte Spiele-Fans werden einige Zeit brauchen, um sämtliche Figuren wenigstens ein Mal im Spiel verwendet zu haben.
Fazit
Wer also ein leicht zu erlernendes Gesellschaftsspiel sucht, dass die Besonderheiten einer Japan-Reise großartig in Spiele-Form umsetzt, ist bei „Tokaido“ richtig. Kaum ein Spiel schaut sich auf dem Stubentisch so schön an. Antoine Bauza und Naïade ist es gelungen, mit „Tokaido“ eine spielerische Liebeserklärung an Japan zu kreieren, die auch langfristig Freude macht.
Nur in der Interaktion zwischen den Spielenden lässt „Tokaido“ einige Wünsche offen. Bis auf das Blockieren von Feldern gibt es praktisch keine Möglichkeiten, direkt auf das Spiel der anderen Reisenden Einfluss zu nehmen. Für Freunde konfrontativer Spiele kann die Japan-Reise daher unter Umständen schnell langweilig werden.
Es bleibt zu hoffen, dass auch die Erweiterungen bald in deutschen Editionen verfügbar sein werden. Insbesondere „Crossroads“ bereichert das Grundspiel ungemein und darf als klare Empfehlung für alle gelten, denen „Tokaido“ in seiner Basis-Version gefällt. „Matsuri“ ist weniger essentiell, bietet aber vor allem über die Charaktere viel Langzeitspaß.
Infos
Tokaido – Familienspiel für 2-5 Spielende
Empfohlenes Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 60 Minuten
Veröffentlicht von: Pegasus Spiele
Preis: 39,99 Euro
Erhältlich unter anderem bei Amazon